Das Jüdische Filmfestival in Wien: Entstehung, Positionierung und Rezeption
Es wäre also eine „Antizionistischen Filmwoche“. Die
entsprechende Seite in der Enzyklopädie Wikipedia sollte
man sofort löschen, mit der Begründung „keine relevanz.
da hilft es auch nicht, dass es juden
sind“.
„Antizionistischen Filmwoche“ ist eine Bezeichnung auf
der Webseite [www.juedische.at], die sich laut
Impressum als „Versuch, jüdisches Leben und alles zu Israel im pluralistischen
Kontext darzustellen“ versteht. Pluralistisch also… aber woran liegt das
Problem mit dem Jüdischen Filmfestival?
Heutzutage gibt es über 100 Jüdische
Filmfestivals in der Welt, von Alaska bis Hong-Kong,
und von Brasilien bis Schweden. Sie nennen sich fast alle „Jewish Film Festival“
und mehr als die Hälfte befindet sich in Nordamerika. Das
erste Jüdische Filmfestival wurde 1980 in San Francisco gegründet, ein Ort der
künstlerischen Freiheit und der Offenheit. Die Entstehung des Festivals fand
kurz nach der Ermordung Harvey Milks statt, der jüdische
Politiker und Bürgerrechtler, der der erste bekennende homosexuelle Stadtrat gewesen
ist. Wird zum Beispiel der Film über Harvey Milk, der gerade in Vorbereitung
ist (Regie: Gus van Sant), ein jüdischer Film sein?
Sehr wahrscheinlich, wenn er seine Beziehung zum Judentum behandelt.
Die Frage „Was macht einen
Film jüdisch?“ stellt sich in allen Festivals, und sie ist nie so leicht zu
beantworten, weil sie einfach eine Untersuchung der jüdischen Identität bedeutet,
Identität, die auch dadurch bereichert wird. Selbstverständlich sind Filme über
Israel „jüdisch“, weil für alle Juden (außer z.B. einigen Haredi
Juden), bleibt die Beziehung zu Israel ein Teil der Identität. Dass diese
Beziehung aber, anhand filmischer Produktionen auch kritisch sein darf, ist für
einige Mitglieder von offiziellen jüdischen Vertretungen einfach ein Dorn im
Auge.
Warum denn? In Wien entstand
das Festival 1991, auf eine Initiativ von Kurt Rosenkranz, der auch das Jüdische
Institut für Erwachsenenbildung gründete. Frédéric-Gérard Kaczek nahm die
Leitung diese „Jüdischen Filmwoche“ an,
vier Jahre später von seiner Frau Monika begleitet. Jedes Jahr sind durch
filmisches Material wichtige Teile der jüdischen Identität als Schwerpunkt
ausgewählt, wie z.B.: „Das Bild jüdischer Frauen“ (1993), „Jüdischer Humor“
(1994), „Migration und Zivilcourage“ (1995).
Mit einem wesentlichen
Beitrag der Stadt Wien, und auch vom Bund, ist es dem Ehepaar Kaczek gelungen,
die Jüdische Filmwoche weiter zu tragen. Mit einer Halbzeitkraft für die Organisation,
schaffen sie es,
2007 auf zwei Wochen zu expandieren und mit 46 Spiel-, 5 Stumm-,17 Dokumentar-
und 5 Kurzfilme sich als eines der größten Jüdischen Filmfestivals Europas zu
profilieren, was der französisch-jüdische Regisseur und Produzent Claude Berri
durch sein Kommen würdigt.
Frédéric-Gérard Kaczek ist
2006 zum Vize-Präsidenten der „European Association of Jewish Film Festivals“
gewählt worden. Es gab also genügend Gründe, die Jüdische Filmwoche genau wie
seine Schwester-Festivals in Jüdisches Filmfestival
umzubenennen.
Wenn man das Organ der Israelitischen Kultusgemeinde
liest, darf man erstaunt sein, dass so wenig über das Jüdische Filmfestival
berichtet wird. Außer einer bescheidenen Werbung resümieren sich die Leistungen
der IKG auf die Zuverfügungstellung von Adressen. Was
sind also die tieferliegenden impliziten Vorwürfe?
Theater und Kino sind in der
Geschichte immer als verachtete Genres betrachtet worden. Die Vielfalt der
jüdischen Identitäten, die sich in solchen Festivals äußert und sich gar nicht
auf eine religiöse Dimension reduzieren lässt,
kann bei manchen Furcht hervorrufen. Einige Filme können auch als unpassend
gelten. Der Film
Paradise Now hat 2005 einigen
Zuschauern missfallen, weil er die Geschichte zwei Attentätern nur aus
palästinischer Sicht erzählt. Heuer ist The Bubble programmiert, über eine
homosexuelle Beziehung zwischen einem Israeli und einem Palästinenser. Zum
Eröffnungsabend des heurigen Festivals war ein französischer Muslim eingeladen,
Roschdy Zem, der mit seiner Komödie Mauvaise foi seinen Beitrag zu einem bessere Zusammenleben
zwischen Juden und Muslims geleistet hat. Otto Tausig
hat zwar einige Wörter für den Verein „Physicians for Human Rights“, im Rahmen der
Vorstellung von den Schwerpunkt „Films for peace“ des
Festivals gesprochen. So what? Soll man dafür das
Festival als „antizionistisch“ erklären? Die Gemeinsamkeit der jüdischen
Gemeinde, über die IKG hinaus, sollte stark genug sein, um vor einer Vielfalt
der Meinungen keine Angst zu haben, und eben pluralistisch werden.